Wie durch Optimal Matching die Wohnlaufbahn von Menschen mit Behinderungen verfolgt werden kann

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Autor: Robin Kreling, Datenwissenschaftler in der Abteilung Datenanalyse und Wissenschaft, Cour Des Comptes, Frankreich

Die Anzahl an Menschen über 50, die Behindertenbeihilfe beziehen, ist in Frankreich zwischen 2011 und 2019 um 36 % gestiegen. Der Rechnungshof wollte prüfen, ob die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung angemessen erfüllt werden.

Dazu verwendete der Rechnungshof eine Optimal-Matching-Methode. Diese Methode aus der Datenwissenschaft zeigt Ähnlichkeiten in der Abfolge von Ereignissen und somit mögliche Kausalitäten zwischen ihnen auf. Durch die Anpassung eines aus der Genetik abgeleiteten Algorithmus überprüfte der Rechnungshof mögliche Unterbrechungen der Wohn- und Verwaltungslaufbahn in Abhängigkeit von den verschiedenen vorgefundenen Situationen, beispielsweise ob die Personen Zugang zu Fachpflege oder eine anerkannte Behinderung haben, ob sie zuhause gepflegt werden oder nicht etc.

Das Datenwissenschaftsteam hat sich insbesondere von einem Ansatz, den das Universitätskrankenhaus Toulouse für eine frühere Überprüfung herangezogen hatte, inspirieren lassen. Bei dieser Methode wird deutlich, wie wichtig es ist, Aufzeichnungen früherer Arbeit und beständige Tätigkeiten im Team zu haben, um Nutzen aus Methoden, Praktiken und Innovationen zu ziehen. Die Anpassung des Algorithmus an die vom Rechnungshof bei dieser Prüfung verwendeten Daten bestand in der Auswahl von Berechnungsmethoden, um die Berechnungszeit zu begrenzen.

Die Daten wurden der digitalen Dienstleistungsplattform ViaTrajectoire entnommen, die Menschen mit Institutionen vernetzt und Letztere bei der Verwaltung von Wartelisten unterstützt. Aus den verfügbaren Angaben ging hervor, ob die Menschen Anspruch auf eine spezielle medizinische oder soziale Betreuung hatten oder nicht. Die Daten wurden pseudonymisiert, mit unterschiedlichen Verschlüsselungscodes für jedes Department.

Es ist anzumerken, dass es der Rechnungshof infolge dieser ersten Arbeit in Erwägung zieht, diese Daten für andere Prüfungen mit anderen administrativen Daten zu kombinieren, und zwar weiterhin anonymisiert, um von den aus diesen Datensätzen gewonnenen Erkenntnissen zu profitieren.

Ein Algorithmus zur Bestätigung und Objektivierung der Intuition des Prüfteams

Die auf diese Daten angewendete Optimal-Matching-Methode bestand darin, eine Ähnlichkeitsmetrik zwischen den Sequenzen zu definieren, das heißt eine Zahl zu berechnen, die den Abstand zwischen zwei Datensequenzen angibt: Wenn viele Änderungen erforderlich sind, um eine bestimmte Sequenz in eine andere umzuwandeln, werden sie als sehr unterschiedlich und weit entfernt angesehen. Sind nur wenige oder gar keine Änderungen erforderlich, sind sie sich sehr ähnlich. Diese Metrik wird im Anschluss verwendet, um die Sequenzen in Proximitätscluster zusammenzufassen.

Die Bündelung in typologische Cluster gemäß den Verwaltungs- und Wohnlaufbahnen bestätigte die Intuition der Prüferinnen und Prüfer und verbesserte ihr Verständnis für die individuellen Verwaltungs-, Pflege- sowie Wohnlaufbahnen. Beispielsweise sind 12 % der Individuen in der Stichprobe der 45- bis 50-Jährigen in Cluster 2 zusammengefasst. Die in dieser Gruppe zusammengefassten Personen haben eine behördlich anerkannte Behinderung, eine Antragsstellung bei einer Einrichtung ist aber über einen längeren Zeitraum hinweg nicht bekannt: In diese Gruppe fallen womöglich Personen, welche die empfohlenen Leitlinien ablehnen oder das Anerkennungsverfahren als Vorsichtsmaßnahme für einen künftigen Bedarf an formeller Unterstützung durchführen. Es ist nützlich, zu wissen, dass derartige Vorsorgeansätze bestehen, und diese zu quantifizieren, um Indikatoren darüber zu berechnen, wie angespannt die Situation in Bezug auf Unterbringungslösungen ist.

Zusammenarbeit zwischen dem Prüfteam und den Datenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ist entscheidend für den Prüfungserfolg

Sobald die Machbarkeitsbescheinigung ausgestellt wurde, fanden noch vor der Einleitung der Prüfung Austauschtreffen zwischen dem Prüfteam und den Datenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der Abteilung für Datenwissenschaft und -analyse des Rechnungshofs statt. Dadurch wurde die Zusammenarbeit aufgelockert und die Bedienung der Datenbanken während der Prüfung erleichtert. Das Prüfteam fand die Datenbanken ganz besonders nützlich für die Prüfung. Es tauschte sich wöchentlich mit den Datenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus. Dadurch war es möglich, die von den Prüferinnen und Prüfern angeforderten Indikatoren zu erstellen, unvorhergesehene Situationen (wie das Überwiegen von einigen weniger sichtbaren Behinderungen) und Mängel in den administrativen Datenbanken hervorzuheben.

Interpretation der Grafiken: auf der X-Achse Monate und Jahre (Sequenzen von 5 kompletten Jahren, von 0–01 bis 5–12), auf der Y-Achse die Proportion der Cluster-Beobachtungen, die von 0 bis 1 reichen. Alle Cluster sind verschieden groß (die Größe ist durch „Freq. (weighted n=[Anzahl])“ angegeben). Beispielsweise sehen wir in Cluster 6, dass fast 60 % der 3.228 Menschen in diesem Cluster über einen Zeitraum von 5 Jahren hinweg keinerlei Änderung ihrer Situation erfahren.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass die Prüfung der Daten selbst zur Prüfung der Governance der betreffenden Regierungsmaßnahmen beiträgt: Diese von den Datenwissenschaftlern festgestellten Mängel führten zu expliziten Empfehlungen in dem im September 2023 veröffentlichten Bericht, der kann hier auf Französisch abgerufen werden.

Die so erstellte Datenbank ist zwar in der Tat sehr jung, wird aber für künftige Prüfungen im Bereich Behinderung und Abhängigkeit von Nutzen sein. Im Laufe der Zeit wird ihre historische Tiefe zunehmen und sie wird längere und repräsentativere Sequenzen eines Lebenswegs abbilden. Sie wird ebenfalls eine Kausalanalyse der Auswirkungen von zukünftigen Reformen staatlicher Maßnahmen auf die Autonomie und Inklusion von Menschen mit Behinderungen ermöglichen.

Robin Kreling, Datenwissenschaftler in der Abteilung für Datenwissenschaft und -analyse

Für weitere Informationen:

Kontaktieren Sie die Abteilung für Datenwissenschaft und -analyse des Rechnungshofs.

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