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Die Oberste Rechnungskontrollbehörde Lettland (ORKB Lettland) ist eine unabhängige und kollegiale Institution, deren Mandat in der Verfassung der Republik Lettland festgelegt ist. 

Die ORKB Lettland hat insbesondere das Mandat, öffentliche Stellen über sie betreffende Erkenntnisse im Bereich der öffentlichen Finanzverwaltung zu informieren und Strafverfolgungsbehörden über die bei einer Prüfung festgestellten Verstöße gegen Rechtsvorschriften zu verständigen. Die ORKB Lettland ist jedoch nicht befugt, Entscheidungen über die Bestrafung von Beamtinnen und Beamten, die rechtswidrig handeln, zu treffen.

Die Ergebnisse einer von der ORKB Lettland durchgeführten Untersuchung von 29 Prüfungen im Zeitraum von 2006 bis 2014 zeigten, dass es im Untersuchungszeitraum eine beträchtliche Anzahl an Verlustrückforderungen gab.

Abbildung 1: Ergebnisse der Untersuchung von 29 Prüfungen im Zeitraum von 2006 bis 2014

Infolge von Überlegungen zur Rolle der ORKB wurde ein Gesetzesentwurf zur Änderung des lettischen ORKB-Gesetzes ausgearbeitet, welcher der ORKB Lettland eine neue Aufgabe einräumt: die Einleitung des Verfahrens zu und die Entscheidung über Verlustrückforderungen.

Die ORKB Lettland fällt nicht in die Kategorie der ORKB mit Rechtsprechungsbefugnissen (siehe zum Beispiel ISSAI 4000 – Norm für die Ordnungsmäßigkeitsprüfung, Abs. 153–157). Die ORKB Lettland fordert Verluste im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip zurück und wird tätig, wenn die überprüfte Stelle selbst keine Maßnahmen ergreift. Es sollte klargestellt werden, dass die Prüferinnen und Prüfer der ORKB Lettland nicht verpflichtet sind, gemäß Absatz 153 der ISSAI 4000 zu beurteilen, ob ausreichende und geeignete Nachweise vorliegen, um die Beamtin bzw. den Beamten persönlich für nicht eingehaltene Vorschriften haftbar zu machen.

Die neue Regelung wurde angenommen und gilt für Prüfungen, die nach dem 31. Juli 2019 begonnen wurden, und sieht unter anderem Folgendes vor:

  • Der Verlust ist innerhalb von vier Jahren nach dem begangenen Verstoß zurückzufordern.
  • Die Beendigung des Dienstverhältnisses der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters ist kein Grund, von der Verlustrückforderung abzusehen.
  • Der Verlust ist zu erstatten, wenn er durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz verursacht wurde.
  • Gegen die Entscheidung über die Verlustrückforderung kann ein Rechtsmittel nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz eingelegt werden.
  • Die Vollstreckung der Entscheidung über die Verlustrückforderung ist durch die Gerichtsvollzieherin bzw. den Gerichtsvollzieher sicherzustellen.

Mit der Einführung dieser neuen Aufgabe sollen bestimmte Ziele erreicht werden: 1) Verhinderung von Verstößen und rechtswidrigen Handlungen, die Verluste verursachen, und 2) tatsächliche Rückforderung von Verlusten öffentlicher Gelder (Ressourcen), und zwar nicht nur in geringfügigen Fällen. 

Es ist wichtig, die Verantwortung und das Bewusstsein zu fördern, dass jede Handlung in Bezug auf die finanziellen Mittel und das Eigentum einer öffentlichen Person (dies betrifft sowohl öffentliche Einrichtungen als auch Beamtinnen und Beamte) den in Gesetzen und Vorschriften vorgesehenen Zielen und Vorgehensweisen entsprechen muss. 

Die ORKB Lettland ist bestrebt, Fälle von rechtswidrigem Handeln zu verhindern und das Bewusstsein zu steigern, dass rechtswidriges Handeln im öffentlichen Sektor nicht toleriert wird. 

Abbildung 2: Verlustrückforderungsverfahren der ORKB Lettland

In den fast fünf Jahren, die seit der Einführung dieser neuen Aufgabe vergangen sind, kam die Regelung in 23 Fällen für Gesamtverluste von über EUR 273.615 zur Anwendung.

(Die tatsächliche Anwendung begann im Jahr 2021, nachdem die ersten Prüfberichte seit Inkrafttreten der neuen Regelung angenommen wurden.)

Abbildung 3: Statistik zu Verlustrückforderungen im Zeitraum 2021–2023

Obwohl die ORKB Lettland ihrer neuen Aufgabe nachging und erhebliche Verluste zurückforderte, ist sie noch mit einigen Herausforderungen konfrontiert, zum Beispiel: 

  1. Verbesserung des Verlustrückforderungsverfahrens, um seine Wirksamkeit zu erhöhen und so wenig Ressourcen wie möglich einzusetzen. Dies erfordert die ständige Beurteilung des erreichten Schweregrads im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen und die Bedeutung des Falls. So kann ein Fall, bei dem es sich um einen geringen Verlustbetrag handelt, auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, sich jedoch als wegweisend für die Weiterentwicklung des Präzedenzrechts der ORKB erweisen. 
  2. Feststellung und Nachweis der Schuld, zum Beispiel grobe Fahrlässigkeit oder böswillige Absicht. Persönliche Haftung ist mitunter eine notwendige Voraussetzung für die Verlustrückforderung. 
  3. Die Prüfungsergebnisse und der Prüfbericht bieten möglicherweise keine ausreichende Tatsachen- und Rechtsgrundlage für die Verlustrückforderung. Vor Abschluss der Prüfung müssen Prüferinnen und Prüfer eng mit dem juristischen Personal zusammenarbeiten.

Im Zuge der neuen Aufgabe der ORKB Lettland wurden folgende Beispiele für Verstöße, die zu Verlusten führten, zusammengetragen:

  • Verstoß im Hinblick auf die Zahlung von Gehältern an Beamtinnen und Beamte, unter anderem Zuschläge, Boni, Sonderzahlungen, welche die gesetzlich zulässige Höhe überschritten.
  • Verstoß gegen das gesetzliche Verbot, eine Liegenschaft oder eine Dienstleistung zu einem erhöhten Preis zu erwerben.
  • Gewährung von Mietnachlässen an Einzelpersonen in gesetzlich unzulässigen Fällen.
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Einhaltung einer Vereinbarung über die Begrenzung ihrer beruflichen Tätigkeit (Wettbewerbsverbot) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Vergütungen, und zwar für die Zeit, in der die Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer an demselben Arbeitsplatz neu beschäftigt wurden.
  • Verträge mit Beamtinnen und Beamten für die Wahrnehmung von Aufgaben, die bereits zu ihren Pflichten als Vertreterinnen bzw. Vertreter der betreffenden Institutionen gehören, wodurch der zulässige Höchstbetrag der Zulagen für zusätzliche Arbeit, die im konkreten Fall zu zahlen wären, überschritten wird.

Derzeit prüft die ORKB Lettland die Daten zu dieser Aufgabe und beabsichtigt, die Wirksamkeit ihrer Ausführung unter Berücksichtigung der Herausforderungen und des Nutzens für die Gesellschaft zu analysieren. Dies betrifft nicht nur konkret erzielte Einsparungen, sondern auch weniger quantifizierbare Vorteile. Der Einfluss des erfolgreichen Einsatzes dieses Instruments durch die ORKB Lettland auf die Sensibilisierung und die Ausrichtung der Regierungsbeamtinnen und -beamten auf die finanziellen Auswirkungen ihres Handelns ist ein qualitativer Nutzen, den die ORKB Lettland untersuchen wird. 


Autorinnen und Autoren:

Oberste Rechnungskontrollbehörde der Republik Lettland

Gustavs Gailis, amtierender Leiter der Rechtsabteilung

Silvija Nora Kalnins, Leiterin der Abteilung für Strategie und internationale Beziehungen

Elita Nīmande, amtierender stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung

Agnese Rupenheite, Leiterin der Abteilung für internationale Beziehungen und Projektentwicklung

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