Digitalisierung der Vertragskontrolle: Die ORKB Somalia nimmt eine Vorreiterrolle ein

Quelle: Adobe Stock Images, alexdndz

von Noor Ali Farah, PR-Verantwortlicher, ORKB Somalia

Ein Meilenstein in der Reform des öffentlichen Sektors

Die Oberste Rechnungskontrollbehörde Somalia (Office of the Auditor General of Somalia; OAGS) hat mit der Einführung eines digitalen Vertragsmanagementsystems (Contract Management System; CMS) einen wichtigen Meilenstein erreicht – einen entscheidenden Schritt zur Förderung von Transparenz, Rechenschaftspflicht und operativer Effizienz in staatlichen Institutionen. Als Teil einer umfassenderen Reformagenda für die öffentliche Finanzverwaltung signalisiert das CMS Somalias Engagement für die Modernisierung der Verwaltungsstrukturen und steht im Einklang mit den weltweiten Bestrebungen zur Digitalisierung der Kontrolle des öffentlichen Sektors. Diese Erfahrung liefert anderen Mitgliedern der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) wertvolle Erkenntnisse, insbesondere jenen in Entwicklungsländern oder fragilen Staaten, in denen der Aufbau transparenter Systeme nach wie vor höchste Dringlichkeit hat.

Beseitigung von Altlasten

Vor dieser Initiative war das Vertragsmanagement im öffentlichen Sektor Somalias stark auf manuelle Systeme angewiesen. Manuelle, papierbasierte Abläufe führten zu ausgedehnten Ineffizienzen, häufigen Verzögerungen sowie einem erhöhten Risiko für Betrug und Nichtkonformität. Die uneinheitliche Nachverfolgung von Verträgen und das Fehlen eines einheitlichen Systems erschwerten die Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften oder die Durchführung zeitnaher Prüfungen, wodurch wirksame Kontrolle untergraben und potenzielle Misswirtschaft mit öffentlichen Mitteln ermöglicht wurde. Ein fehlendes institutionelles Gedächtnis verschärfte diese Probleme weiter, da Dokumentation oft unvollständig oder bei Prüfungen schwer auffindbar war.

In Anerkennung dieser systemischen Probleme nahm das OAGS eine Führungsrolle bei der Entwicklung sowie Einführung des CMS ein und verankerte es als Eckpfeiler der breiter gefassten Reformagenda für den öffentlichen Sektor Somalias. Der Leiter der ORKB Somalia, S.E. Ahmed Isse Gutale, erklärte, dass das CMS „einen entscheidenden Schritt zur Stärkung der Staatsführung und zur Gewährleistung einer integren Verwaltung öffentlicher Mittel darstellt“. Die Entscheidung, auf eine digitale Kontrolle umzustellen, war strategisch und darauf ausgerichtet, Ineffizienzen zu beseitigen sowie Systeme aufzubauen, die sich parallel zu den wachsenden Führungskompetenzen des Landes weiterentwickeln können.

Aufbau eines auf Wirkung ausgerichteten Systems

Das CMS wurde im umfangreichen Austausch mit öffentlichen Institutionen, internationalen Entwicklungspartnern und Prüfungsfachleuten entwickelt, um sicherzustellen, dass es sowohl internationalen Normen als auch den spezifischen institutionellen Anforderungen Somalias entspricht. Das CMS ist mehr als nur eine technologische Lösung – es ist ein treibender Strategiefaktor für die Stärkung der Kontrolle und die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in die Staatsführung. Seine benutzerfreundliche Oberfläche und der rollenbasierte Zugriff ermöglichen es dem berechtigten Personal, in Echtzeit sicher auf Vertragsdaten zuzugreifen. Dies führte nicht nur zu transparenteren Verträgen, sondern auch zur Stärkung der behördenübergreifenden Zusammenarbeit.

Bei der Systementwicklung spielte die Einbindung der Stakeholder eine ausschlaggebende Rolle. Beamtinnen und Beamte, Beschaffungsbeauftragte, Rechtsberaterinnen und Berater sowie IT-Expertinnen und -Experten beteiligten sich an Systemtests und Feedbackschleifen. Mit diesem integrativen Ansatz wurde nicht nur sichergestellt, dass das CMS technisch einwandfrei ist, sondern auch, dass es praktisch auf die Arbeitsabläufe und Realitäten der staatlichen Dienstleistungen in Somalia abgestimmt ist. Das Ergebnis ist ein robustes System, das Rechenschaftspflicht vom Vertragsabschluss bis zum Vertragsende fördert.

Steigerung von Effizienz und Transparenz

Die Einführung des CMS brachte in mehreren Bereichen entscheidende Verbesserungen. Erstens verfügt das System über automatisierte Kontrollen für die Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher und regulatorischer Normen, wodurch nun erheblich weniger Gelegenheiten für Betrug bestehen. Unregelmäßigkeiten wie fehlende Genehmigungen oder doppelte Vertragseinträge werden nun frühzeitig gemeldet, sodass Prüferinnen und Prüfer eingreifen können, bevor Probleme eskalieren. Beispielsweise wurde ein großer Beschaffungsvertrag, für den keine ordnungsgemäße Genehmigung vorlag, automatisch vom CMS gemeldet, sodass rechtzeitig geprüft und eine Abhilfemaßnahme ergriffen werden konnte, bevor Mittel ausgezahlt wurden.

Die Effizienzsteigerungen sind beträchtlich: Was im Hinblick auf Vertragsgenehmigungen früher Wochen oder Monate dauerte, kann nun innerhalb weniger Tage erledigt werden. Die zentralisierte digitale Plattform ermöglicht eine schnelle Dokumentation, sofortige Aktualisierungen und optimierte Genehmigungsprozesse, wodurch der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert wird. Durch die Umstellung von manuellen auf automatisierte Arbeitsabläufe können Angestellte in Prüf- sowie Finanzabteilungen ihre Zeit nun für Aufgaben in den Bereichen strategische Kontrolle und Leistungsbeurteilung nutzen.

Darüber hinaus brachte das CMS mehr Transparenz, indem es einen zentralen Speicherort für Vertragsinformationen bereitstellt, auf den berechtigte Stakeholder zugreifen können. Dies sorgte für mehr Offenheit zwischen staatlichen Institutionen und trug zu einer Kultur der Rechenschaftspflicht bei. Die Möglichkeit, Berichte und Analysen in Echtzeit zu erstellen, versetzte das OAGS zudem in die Lage, datengestützte Entscheidungen zu treffen. Durch die Ermittlung von Vertragstrends, Ausreißern sowie Konformitätslücken kann das Prüfungspersonal nun risikobasierte Prüfungen priorisieren und sich anstatt auf administrative Details auf systemische Schwachstellen konzentrieren.

Stärkung von Sachkompetenzen und Kontrolle

Die Einführung des CMS veränderte auch die institutionellen Sachkompetenzen grundlegend. Die Einführung ging mit umfassenden Schulungen für OAGS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter einher. Dadurch wurden digitale Kompetenzen verbessert und eine Kultur des kontinuierlichen Lernens gefördert. Diese Investition in die personellen Ressourcen stärkte die Fähigkeit der Institution, das System langfristig zu verwalten und instand zu halten. Zudem wurden die Schulungen auch über das OAGS hinaus auf das Personal von Ministerien und anderen staatlichen Stellen ausgeweitet. Dies trug zur Institutionalisierung digitaler Kontrollverfahren im breiteren öffentlichen Sektor bei.

Jede Transaktion und Veränderung wird vom CMS sorgfältig protokolliert, wodurch ein manipulationssicherer Prüfpfad entsteht. Dies erwies sich als besonders nützlich, um den Lebenszyklus von Verträgen im Auge zu behalten und um sicherzustellen, dass unbefugte Änderungen entdeckt werden. In der Praxis bedeutet das, dass jeder Eintrag im System mit einem Zeitstempel versehen sowie mit einem bestimmten Benutzerprofil verknüpft ist, was eine forensische Rechenschaftspflicht ermöglicht, die bisher nicht möglich war. Diese Rückverfolgbarkeit, die für der Prüfung nachgelagerte Ermittlungen von entscheidender Bedeutung ist, verstärkte die abschreckende Wirkung in Bezug auf Manipulation.

Schulung für Mitarbeiter des Rechnungshofs von Somalia. Quelle: Rechnungshof von Somalia.

Bemerkenswerte erste Erfolge

Erste Ergebnisse waren vielversprechend. Bisher wurden über 100 Verträge über das CMS abgewickelt, wobei die durchschnittliche Genehmigungszeit von über 30 Tagen auf weniger als 10 Tage gesunken ist. Das System trug bereits dazu bei, auf mehrere nichtkonforme Verträge hinzuweisen, die alle umgehend überprüft wurden. Diese neu gewonnene Effizienz schlug sich in einer schnelleren Leistungserbringung in Schlüsselsektoren wie dem Gesundheits-, Bildungs- und Infrastrukturwesen nieder, in denen Verzögerungen direkte Auswirkungen auf das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger haben können.

Darüber hinaus ermöglichte das CMS eine bessere Abstimmung unter den Behörden. Staatliche Institutionen arbeiten nun mit einer einheitlichen Datenquelle, wodurch Redundanzen und Inkonsistenzen, die das Vertragsmanagement zuvor geplagt hatten, beseitigt wurden. So können Verträge, die beispielsweise vom Finanz- und Gesundheitsministerium gemeinsam verwaltet werden, nun nahtlos über das CMS verfolgt werden, wodurch ebenfalls eine bessere Abstimmung der Beschaffungszeitrahmen, Budgetierung sowie Lieferungen ermöglicht wird.

In einem bemerkenswerten Fall führte die Einführung des CMS in einem Ministerium zur frühzeitigen Erkennung von Kostenabweichungen zwischen geplanten und tatsächlichen Ausgaben. Mithilfe des Analyse-Dashboards des CMS konnte das Prüfungspersonal schnell eingreifen und Neuverhandlungen führen, wodurch die öffentliche Hand erhebliche Mitteleinsparungen erzielen konnte.

Erkenntnisse für die INTOSAI-Gemeinschaft

Die Erfahrungen des OAGS bieten anderen INTOSAI-Mitgliedern, die über ähnliche digitale Reformen nachdenken, praktische Einblicke. Zu den wesentlichen Erkenntnissen zählt, dass es sinnvoll ist, klein anzufangen. Da das System zunächst in einem kleinen Rahmen ausgetestet wurde, konnten Probleme frühzeitig erkannt und vor der vollständigen Einführung schrittweise behoben werden. Der Schritt-für-Schritt-Ansatz stellte sicher, dass Nutzerinnen und Nutzer Vertrauen in das System aufbauten, während Entwicklerinnen und Entwickler Feedback einholten, um dessen Funktionen zu optimieren.

Als ebenso wichtig erwiesen sich Investitionen in Schulungen. Die Sicherstellung, dass sowohl das Prüfungspersonal als auch die Nutzerinnen und Nutzer die Funktionen des Systems verstehen, trug zu einer reibungsloseren Einführung und effektiveren Nutzung bei. Ein Supportteam für Nutzerinnen und Nutzer wurde eingerichtet: Es beantwortete Fragen, hielt Auffrischungsschulungen ab und holte Feedback für kontinuierliche Verbesserungen ein. Dieses Supportsystem trug dazu bei, die digitale Kluft zu überbrücken und eine langfristige Nutzerbindung zu fördern.

Eine weitere wichtige Erkenntnis betrifft die Bedeutung des Kontexts. Das CMS wurde zwar unter Verwendung international bewährter Verfahren entwickelt, aber an den rechtlichen Rahmen und die institutionellen Sachkompetenzen Somalias angepasst. Diese Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten gewährleistete die Relevanz und Benutzerfreundlichkeit des Systems. Darüber hinaus förderte die Stakeholdereinbindung während des gesamten Entwicklungs- sowie Einführungsverfahrens ein Gefühl der Zugehörigkeit und des Vertrauens – ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Systems.

Anderen INTOSAI-Mitgliedern – insbesondere jenen, die in fragilen Umfeldern tätig sind – zeigt die Erfahrung Somalias die Machbarkeit und die Vorteile der digitalen Kontrolle auf, selbst bei begrenzten Ressourcen. Durch einen Schritt-für-Schritt-Ansatz, der auf Zusammenarbeit und Kontextbewusstsein fußt, können Oberste Rechnungskontrollbehörden (ORKB) Technologien wirksam einsetzen, um für mehr Rechenschaftspflicht zu sorgen.

Ausblick: eine Vision für Integration und Innovation

Das OAGS plant, die Einbindung des CMS auf andere digitale Plattformen auf nationaler Ebene auszuweiten, darunter öffentliche Beschaffungs- und Finanzmanagementsysteme. Dies ermöglicht einen umfassenderen Überblick über Staatsausgaben und sorgt für verstärkte Rechenschaftspflicht bei der Leistungserbringung. Durch die Zusammenführung von Beschaffungs- und Zahlungsdaten können Prüferinnen und Prüfer den gesamten finanziellen Lebenszyklus eines Vertrags verfolgen: von der Ausschreibung und Auswahl bis zur Auszahlung und Fertigstellung.

ORKB-Leiter Gutale bekundete auch Interesse daran, moderne Technologien wie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zu nutzen, um die Fähigkeiten des CMS in den Bereichen Prognosen und Betrugserkennung weiter zu verbessern. Diese Innovationen könnten dazu beitragen, Unregelmäßigkeitsmuster über mehrere Verträge hinweg aufzudecken, und dem Prüfungspersonal Frühwarnsignale für systemische Probleme liefern, bevor sich diese in finanziellen Verlusten niederschlagen.

Darüber hinaus erwägt das OAGS die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Dashboards, über das Bürgerinnen und Bürger sowie zivilgesellschaftliche Organisationen wichtige Vertragsinformationen einsehen können. Ein solcher Schritt würde nicht nur die Transparenz fördern, sondern auch die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in die Kontrolle öffentlicher Ressourcen stärken.

Die Reise des OAGS hin zur Digitalisierung der Vertragskontrolle zeigt, wie Technologien ORKB dabei unterstützen können, ihre Aufgaben effektiver zu erfüllen. In einem fragilen Kontext wie dem somalischen ist das CMS ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Innovation, Engagement und Zusammenarbeit bedeutende institutionelle Veränderungen bewirken können. Angesichts der weiteren Reformen steht das CMS als Symbol für die Entschlossenheit Somalias, einen transparenteren, rechenschaftspflichtigeren und effizienteren öffentlichen Sektor aufzubauen.

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