Die Beziehung zwischen Prüfungen und der Durchsetzung finanzieller Haftung: Erfahrungen aus der ORKB Portugal

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von: Tribunal de Contas (ORKB Portugal)

Einleitung

Die ORKB Portugal (Tribunal de Contas) ist derzeit eine Institution, die das angelsächsische mit dem rechtsprechenden Modell der Obersten Rechnungskontrollbehörden kombiniert. Das bedeutet, dass, obwohl Prüfungen eine Haupttätigkeit des Rechnungshofs bilden, er auch die Befugnis hat, über finanzielle Haftungen zu urteilen.

Somit ist die Durchsetzung der finanziellen Haftung eine der wichtigsten Wirkungen der Prüfungen, zusammen mit der Nachkontrolle der Empfehlungen und anderen Entwicklungen.

Quelle: ORKB Portugal

1. Der portugiesische Rechnungshof: eine kurze Beschreibung der Aufgaben und Kompetenzen.

Im Jahr 1976 erhielt der portugiesische Rechnungshof den verfassungsrechtlichen Status zurück, den ihm die Verfassung aus dem Jahr 1838 verliehen hatte. Als Teil der Gerichte ist er definitiv zu einem integralen Bestandteil der portugiesischen Justizstruktur geworden und genießt für Gerichte typische Privilegien (Selbstverwaltung, Unabsetzbarkeit, Nichthaftung, verbindliche Rechtsprechung und ausschließliche Verpflichtung gegenüber dem Gesetz). Infolge dieser Unabhängigkeit wird der Präsident des Rechnungshofs vom Präsidenten der Republik auf Vorschlag der Regierung ernannt, während die anderen Mitglieder des Rechnungshofs, die ursprünglich durch Auswahl seitens des Parlaments ernannt wurden, derzeit vom Präsidenten des Rechnungshofs im Anschluss an eine öffentliche Bekanntmachung ernannt werden. 

Was die ihm übertragenen Aufgaben anbelangt, hat der portugiesische Rechnungshof seinen funktionalen und organisatorischen Rahmen schrittweise gestärkt und sich als Gerichtshof mit spezieller Zuständigkeit (Finanzgerichtsbarkeit) behauptet, der jedoch insofern einzigartig ist, als er zwar wie andere Gerichte auch Rechtsprechungsbefugnisse, jedoch gleichzeitig auch Aufgaben der Finanzkontrolle wahrnimmt. Aus diesem Grund wird er als höchste (oder übergeordnete) Institution für die Finanzkontrolle der portugiesischen Demokratie angesehen.

Dementsprechend überträgt ihm die Verfassung der Republik ausdrücklich die Befugnis zur Finanzkontrolle und zur Durchsetzung finanzieller Haftungen, die durch das allgemeine Gesetz wie folgt verdichtet wird:

  • Ausstellung eines Gutachtens und einer Bescheinigung zum Rechnungsabschluss der Republik, Parlament der Republik (Assembleia da República), der Präsidentschaft der Republik, den autonomen Regionen (Azoren/Madeira) und den jeweiligen Legislativversammlungen, wobei über die Rechtmäßigkeit und finanzielle Ordnungsmäßigkeit aller im betreffenden Wirtschaftsjahr durchgeführten Transaktionen entschieden wird;
  • Vorabkontrolle der Rechtmäßigkeit und der haushaltsmäßigen Angemessenheit von Gesetzen und Verträgen, die zu öffentlichen Ausgaben führen;
  • Jederzeitige Durchführung von Prüfungen jeglicher Art auf Eigeninitiative, wobei die Befugnis zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit, aber auch der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Wirksamkeit der öffentlichen Verwaltung besteht;
  • Einzelüberprüfung der Rechnungsabschlüsse aller öffentlichen Stellen (Verwaltungen, Unternehmen, Stiftungen oder Vereine).

Darüber hinaus ist der portugiesische Rechnungshof befugt, finanzielle Haftungen durchzusetzen, indem er die Rückerstattung von Geldern oder öffentlichen Vermögenswerten von all jenen fordert, die diese zulasten der öffentlichen Gelder und Vermögenswerte rechtswidrig verwendet haben (reintegrative finanzielle Haftung), bzw. die Zahlung von Geldbußen bei Nichteinhaltung der Vorschriften für die öffentliche Finanztätigkeit (finanzielle Haftung). 

2. Prüfung und finanzielle Haftung

Die vom portugiesischen Rechnungshof ausgeübte Rechtsprechungstätigkeit ergänzt seine Kontrolltätigkeit. Ziel ist, im Anschluss an Prüfungen, bei denen potentielle Verstöße gegen Finanzvorschriften festgestellt werden, sicherzustellen, dass die inhärente Haftung wirksam durchgesetzt wird. 

Vor dem Hintergrund, dass dieselbe Institution prüft und zur Rechenschaft zieht, stellt sich jedoch die berechtigte Frage, wie die Unabhängigkeit ihrer Tätigkeiten und das Recht auf ein faires Verfahren gemäß nationalem Recht und internationalen Übereinkommen gewährleistet werden. Dabei beziehen wir uns insbesondere auf die Einhaltung der Grundsätze, die Gerichtsverfahren innewohnen. Dazu zählen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die Gleichwertigkeit der Rechtsmittel, ein kontradiktorisches Verfahren, die Unschuldsvermutung und das Recht auf eine zweistufige Gerichtsbarkeit. Die Antwort auf diese Frage wird uns auch helfen, zu verstehen, in welchem Zusammenhang Prüfungen mit der Durchsetzung finanzieller Haftungen stehen.

2.1. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit 

Die Verfassung der Republik Portugal verleiht dem Rechnungshof den Status eines souveränen Organs, wodurch er in derselben Kategorie wie sonstige Gerichte angesiedelt ist. So wird seine Unabhängigkeit sichergestellt, nicht nur von der Exekutive und Legislative, sondern auch von den seinen Prüfungen unterliegenden Stellen sowie von Interessengruppen und begründeten Interessen. Gleichzeitig sollte hervorgehoben werden, dass die Mitglieder des Rechnungshofs Richterinnen und Richter sind, die alle verfassungsrechtlichen Privilegien genießen. Im Falle einer Ernennung durch öffentliche Bekanntmachung besteht darüber hinaus keine Möglichkeit zu externen Eingriffen durch eine Ernennung seitens der Regierung oder des Parlaments. Gleiches gilt für seine Präsidentin bzw. seinen Präsidenten, deren bzw. dessen Ernennung, wie schon erwähnt, in den Kompetenzbereich der Präsidentin bzw. des Präsidenten der Republik fällt, in deren bzw. dessen Gegenwart sie bzw. er das Amt antritt und eine Ehrenerklärung gemäß der portugiesischen Verfassung abgibt.

Aus organisatorischer Sicht wurde bei der Einrichtung des portugiesischen Rechnungshofs das Ziel verfolgt, die notwendige Unabhängigkeit sowie Trennung zwischen den Prüfaufgaben und den Rechtsprechungsbefugnissen zu gewährleisten. Die Gliederung des Rechnungshofs in spezialisierte Kammern (1 – Vorabkontrolle; 2 – Prüfung; 3 – finanzielle Haftungen) mit klar definierten Prüfrechten und Durchsetzungsbefugnissen bei finanziellen Haftungen bietet die Gewähr, dass das Urteil über das Vorliegen vermutlicher finanzrechtlicher Verstöße, das bei der Prüfung gebildet wird, den „Richter des Urteils“ nicht bindet. Dadurch kann man sagen, dass es sich um unterschiedliche Aufgaben handelt, die von ebenso unterschiedlichen Gerichten wahrgenommen werden.

Darüber hinaus hat das Gesetz die Unabhängigkeit derjenigen, die berechtigt sind, ein Verfahren wegen finanzieller Haftung einzuleiten, sichergestellt. Das bedeutet, dass das Bestehen eines gerichtlichen Verfahrens von der Anklageerhebung durch eine vom Rechnungshof unabhängigen Stelle abhängig ist. In erster Linie ist die Staatsanwaltschaft dazu berechtigt, alternativ die internen Kontrollorgane.

2.2. Die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und der Gleichwertigkeit der verfahrensrechtlichen Instrumente

Die Grundsätze des kontradiktorischen Verfahrens und der Gleichwertigkeit sind wesentliche Bestandteile eines fairen Verfahrens. Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens impliziert bekanntlich, dass jede Partei aufgefordert ist, Sach- und Rechtsgrundlagen darzulegen, Beweise vorzubringen, die von der anderen Partei vorgelegten Beweise zu begleiten und die Aussagekraft sowie Wirkung der einen und der anderen Partei zu erörtern. Für die wirksame Anwendung dieses Grundsatzes ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Verfahrensgleichwertigkeit gewährleistet ist und dass die Parteien die gleichen Bedingungen sowie Chancen haben, Gerechtigkeit zu erlangen.

Die Anwendung des kontradiktorischen Prinzips ist von besonderer Bedeutung, wenn im Anschluss an eine Prüfung ein Verfahren zur finanziellen Haftung eingeleitet wird. In einem solchen Fall garantiert das Gerichtsgesetz den betroffenen Personen vor der Einleitung eines derartigen Verfahrens das Recht auf Anhörung zu den ihnen zur Last gelegten Tatsachen, deren Folgen, zum Rechtsrahmen und den zu erstattenden oder zu zahlenden Beträgen (Artikel 13, Nr. 2 des Gerichtsgesetzes). Das bedeutet, dass das Verfahren nur bei Einhaltung dieses Grundsatzes eingeleitet werden sollte. Um die Einhaltung des kontradiktorischen Prinzips zu gewährleisten, sollten bei den Prüfungen daher die folgenden Aspekte ermittelt und hinreichend belegt werden:

  • der Sachverhalt (potentiell rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen);
  • die verletzten Regelungen;
  • ggf. die verantwortlichen Personen;
  • die hervorgerufenen Nutzen bzw. der hervorgerufene Schaden;
  • die Kategorisierung eventueller Haftungen, zum Beispiel reintegrative finanzielle Haftung oder finanzielle Haftung für Bußgelder;
  • sämtliche Belegdokumente.

Zudem wird die Verfahrensgleichwertigkeit durch verschiedene gesetzlich verankerte Mechanismen gewährleistet. Dies bezieht sich insbesondere auf das Recht, im kontradiktorischen Verfahren durch eine Anwältin bzw. einen Anwalt vertreten zu werden, auf die Möglichkeit, um eine Fristverlängerung für die Anfechtung anzusuchen, oder auf die Gewährleistung, dass auf alle verfügbaren Informationen, die für ein kontradiktorisches Verfahren erforderlich sind, zugegriffen werden kann.

2.3. Grundsatz der Unschuldsvermutung

Der Grundsatz der Unschuldsvermutung ist verfassungsrechtlich verankert. Es handelt sich um einen Grundsatz, dessen Beachtung im Bereich der strafrechtlichen Haftung von besonderer Bedeutung ist und der natürlich auch in anderen Haftungsverfahren nicht außer Acht gelassen wird. 

Bei der Durchsetzung finanzieller Haftungen unterstützt der Rechnungshof diesen Grundsatz in all seinen Dimensionen.

2.4. Das Recht auf zweistufige Gerichtsbarkeit

Das Recht auf zweistufige Gerichtsbarkeit, also das Recht, gerichtliche Entscheidungen von einem anderen Gericht als dem, das sie erlassen hat, überprüfen zu lassen, ist auch in der Finanzgerichtsbarkeit anerkannt. So kann in Fällen der finanziellen Haftung gegen die von einer Richterin bzw. einem Richter in erster Instanz erlassene Endentscheidungen Berufung beim Plenum der 3. Kammer, das aus einem dreiköpfigen Richtergremium besteht, eingelegt werden.

3. Schlussbemerkung

Unser Einblick in die Rechtsprechungstätigkeit des Rechnungshofs zeigt hinreichend, wie diese mit seiner Prüfungstätigkeit verknüpft ist. Dies wird durch den Aufbau des Rechnungshofs sichergestellt: in unabhängigen Kammern mit klar definierten Aufgaben und Vermittlung durch die Staatsanwaltschaft, ein ebenso unabhängiges externes Organ. Dieser Umstand garantiert nicht nur die notwendige Unabhängigkeit zwischen der „Prüfbefugnis“ und der „Rechtsprechungsbefugnis“, sondern auch die Unabhängigkeit der Stelle, die berechtigt ist, auf der Grundlage der bei Prüfungen erhobenen Nachweise für Verstöße rechtliche Schritte wegen finanzieller Haftung einzuleiten. Dadurch wird die öffentliche Finanzverwaltung umfassend geschützt. 

Dies ist umso wichtiger, wenn man sich der Stellung und Rolle der Obersten Rechnungskontrollbehörden im modernen Rechtsstaat bewusst ist. Streng genommen sind Oberste Rechnungskontrollbehörden – auch wenn es andere unabhängige Organe gibt, die für die Kontrolle und die Einhaltung der finanziellen Gesetzmäßigkeit zuständig sind – für diesen Zweck besonders geeignet, und zwar nicht nur, weil sie aufgrund ihrer Eingliederung in die jeweilige Justizstruktur den Charakter souveräner Organe haben und insofern alle für Gerichte typischen Privilegien genießen, sondern auch wegen ihrer Sonderaufgabe, in der Verwaltung der öffentlichen Gelder sowie Vermögenswerte im Namen des öffentlichen Interesses Rechenschaftspflicht und Transparenz sicherzustellen.

Vor diesem Hintergrund sind wir der Ansicht, dass die Rechtsprechungsbefugnisse des Rechnungshofs vollständig im Einklang mit den in den INTOSAI-P 50 genannten Grundsätzen stehen.

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