Der Rechnungshof Italien bekämpft Betrug im Zusammenhang mit EU-Geldern und dem nationalen Aufbau- und Resilienzplan durch Rechtsprechung
Autoren: Stellvertretender Generalstaatsanwalt Giancarlo Astegiano, Stellvertretender Generalstaatsanwalt Arturo Iadecola, Generalstaatsanwaltschaft beim Rechnungshof Italien
Die Europäische Union muss ihre Gelder gut schützen, um ihre Verwaltung sicherzustellen und Mitgliedstaaten oder anderen Beziehenden Mittel für die Umsetzung ihrer eigenen Strategien zuweisen zu können. Sowohl Steuerhinterziehung als auch rechtswidrige Verhaltensweisen, die zum unzulässigen Bezug von Geldern oder der Zweckentfremdung dieser Gelder führen, schaden den EU-Kassen.
Die Rechtsprechung des Kassationsgerichts – das in Italien über die Verteilung der Zuständigkeiten unter den verschiedenen Justizbehörden entscheidet – geht seit langem dahin, die Zuständigkeit des italienischen Rechnungshofs für private Einrichtungen, die öffentliche Zuwendungen unrechtmäßig erhielten oder zweckentfremdeten, anzuerkennen. Das Argument lautet: „Wenn ein privates Unternehmen, an das öffentliche Gelder ausbezahlt werden, die Art der Umsetzung des von der öffentlichen Verwaltung eingeführten Programms, an dem es sich mit der Gewährung der Zuwendung beteiligen soll, negativ beeinflusst und die Auswirkung so groß ist, dass sie zu einer Abweichung von den verfolgten Zielen führt, verursacht es der öffentlichen Einrichtung Schaden – sei es auch nur dadurch, dass es anderen Unternehmen die Gelder vorenthält, die zur Umsetzung des Plans, wie er von der öffentlichen Einrichtung in Zusammenarbeit mit derselben Unternehmerin bzw. demselben Unternehmer formuliert und genehmigt wurde, hätten führen können –, für den es vor der Prüfungsrichterin bzw. dem Prüfungsrichter zur Rechenschaft gezogen werden muss“ (Cass., Sez. un., ord. n. 4511/2006).
Hier sei anzumerken, dass sich die Zuständigkeit des italienischen Rechnungshofs ebenfalls auf Rechtsverfahren zur Rückerstattung von direkt ausgeschütteten Zuwendungen an die Europäische Kommission erstreckt. Gemäß den geltenden Vorschriften „gibt es keine diskriminierende Anwendung aufgrund des supranationalen Charakters der geschützten Verwaltung oder der Art der ausgeschütteten Zuwendung. Vielmehr müssen gemäß dem Grundsatz der Gleichstellung, wonach die europäischen Finanzinteressen den nationalen Interessen gleichgestellt sind, die gleichen im nationalen Recht vorgesehenen Maßnahmen zu ihrem Schutz gewährleistet werden“ (Cass., Sez. un., ord. n. 20701/2013).
Rechtswidrige Handlungen, die darauf abzielen, EU-Mittel zu veruntreuen oder abzuzweigen, schaden häufig sowohl der EU-Kasse als auch der Staatskasse des Mitgliedstaats. Die Zuständigkeit für Schadenersatzklagen gegen die Täterinnen bzw. Täter liegt gemäß dem in Artikel 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Gleichstellung in jedem Fall beim Rechnungshof Italien, da er nach innerstaatlichem Recht für die Feststellung des Schadens für die Staatskasse zuständig ist.
Die Maßnahmen der regionalen Staatsanwaltschaft zum Schutz der EU-Mittel bestehen hauptsächlich aus der Einleitung von Gerichtsverfahren – Anklageerhebungen –, um Schadenersatz von den Empfängerinnen bzw. Empfängern der ganz oder teilweise ausgeschütteten Zuwendungen aus diesen Mitteln zu fordern. Bei kollektiven Organisationen (Unternehmen, Vereinen) kann nicht nur gegen diese selbst vorgegangen werden, sondern auch gegen diejenigen, die als deren gesetzliche Vertreterinnen bzw. Vertreter oder faktische Kontrollinhaberinnen und -inhaber durch die Abzweigung öffentlicher Mittel zu ihrem eigenen Vorteil zum Delikt beigetragen haben.
Im Jahr 2023 erließen die regionalen Gerichtskammern des italienischen Rechnungshofs Verurteilungen zur Erstattung von Vermögensschäden im Bereich der EU-Fonds in Höhe von rund EUR 20 Millionen. Die am stärksten betroffenen Fonds waren unter anderem:
- Der europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL)
- Der europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)
- Der europäische Meeres- und Fischereifonds (EMFF)
- Der europäische Struktur- und Investitionsfonds (ESI)
- Der europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
- Der europäische Sozialfonds (ESF)
Die regionalen Staatsanwältinnen und -anwälte erhoben über 100 Anklagen im Umfang von über EUR 20 Millionen.
Gleichzeitig bestätigten die Ermittlungs- und Voruntersuchungstätigkeiten der Staatsanwaltschaft die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen nationalen und internationalen Organisationen, die an der Bekämpfung der Zweckentfremdung öffentlicher Gelder beteiligt sind, sowie des Einsatzes von Vermögensschutzmaßnahmen.
Die Delikte betreffen auch den nationalen Aufbau- und Resilienzplan (NARP), der zwischen September 2020 und April 2021 gemäß den Bestimmungen der EU-Verordnung Nr. 241 vom 12. Februar 2021, mit der die Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen des Programms Next Generation EU ins Leben gerufen wurde, eingeführt wurde.
Einige der rechtswidrigen Handlungen im Hinblick auf die missbräuchliche oder nicht erfolgte Verwendung von EU-Mitteln können offensichtlich auch im Zusammenhang mit der Umsetzung des nationalen Aufbau- und Resilienzplans auftreten und können daher einen nützlichen und stichhaltigen Bezugspunkt für die Überprüfungs- sowie Kontrollverfahren zur tatsächlichen Verwendung der öffentlichen Gelder aus dem Plan darstellen.
Zu rechtswidrigen Handlungen in diesem Bereich zählen insbesondere der unzulässige Mittelerhalt seitens durchführender Stellen, die Nichteinhaltung von Zeitplänen für die Durchführung von Projekten, die den im NARP vorgesehenen Zwecken entsprechen, die Nichtverwendung oder Abzweigung von NARP-Projekten zugewiesenen Mitteln und die Durchführung von Arbeiten, die den Projekten nicht entsprechen, wobei die zugewiesenen Mittel abgezweigt oder verschwendet werden.
Schließlich koordiniert die Generalstaatsanwaltschaft als Aufsichtsbehörde über den Dienst für internationale Angelegenheiten und interinstitutionelle Beziehungen die Bekämpfung der Korruption und der rechtswidrigen Verwendung europäischer Gelder mit supranationalen Einrichtungen und Institutionen anderer Länder.
Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) erfolgt auf der Grundlage der von der Europäischen Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft beim Rechnungshof Italien am 13. September 2021 unterzeichneten Arbeitsvereinbarung.
Gemäß dieser Vereinbarung, die ein strukturiertes Rahmenwerk für die Zusammenarbeit schaffen soll, besteht die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der regionalen Staatsanwaltschaft beim Rechnungshof Italien bevorzugt aus Informationsaustausch, der über das im Primärrecht vorgesehene Ausmaß hinaus geht. Die Europäische Staatsanwaltschaft und die Regionale Staatsanwaltschaft beim Rechnungshof Italien müssen außerdem eine zusätzliche Koordinierungsebene einschalten – gegebenenfalls durch Treffen oder ähnliche Initiativen –, wenn sie nach dem Informationsaustausch Ermittlungen zu damit zusammenhängenden Sachverhalten einleiten.
Eine weitere Zusammenarbeit mit supranationalen Organisationen erfolgt mit dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Rahmen der am 25. September 2013 unterzeichneten Vereinbarung über die Verwaltungszusammenarbeit. Gemäß Artikel 325 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union tauschen der Rechnungshof und das OLAF Informationen über Sachverhalte aus, die den finanziellen Interessen der EU schaden, leisten sich gegenseitig fachliche und operative Unterstützung, führen gemeinsam strategische Analysen durch und halten Schulungs- sowie Personalaustauschprogramme ab.