Autor: Kevin Copping, Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms, GAO
„Docendo discimus“ – beim Lehren lernen wir. Hat Ihre Oberste Rechnungskontrollbehörde (ORKB) die Entwicklung eines Programms, bei dem Führungskräfte als Lehrbeauftragte fungieren, in Betracht gezogen?
Im Rahmen eines Programms, bei dem Führungskräfte als Lehrbeauftragte fungieren, werden Analytikerinnen und Analytiker sowie Prüferinnen und Prüfer mit viel Erfahrung in den Kursraum geschickt, um neuen Mitarbeitenden zentrale Prüfungsaufgaben beizubringen. Erfolgreiche Wissensvermittlung durch erfahrene Prüferinnen und Prüfer, die „schon alles einmal durchhaben“, unterstützt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei, den Kursinhalt zu lernen, sich ihn zu merken und vor allem anzuwenden. Aufbauend auf den Grundsätzen der Erwachsenenbildung, wonach Erwachsene am besten lernen, wenn sie interessiert sind und eingebunden werden, fördern Lehrende Diskussionen zu den Inhalten, indem sie wohlüberlegte, vertiefende Fragen stellen und mit dynamischen, punktgenauen Vorträgen, lebendiger Sprache, anschaulichen Beispielen sowie Geschichten, deren Botschaften hängenbleiben, unterrichten. Das Ergebnis sind neugierige, engagierte Lernende, die mehr über das Thema erfahren möchten.
Wenn eine ORKB ein Führungskräfte-als-Lehrbeauftragte-Programm einführt, verfeinern Lehrende ihre Kompetenzen in den Bereichen Zusammenarbeit, Einflussnahme und Inklusion, neuere Mitarbeitende fühlen sich besser eingebunden und erwerben ORKB-spezifische Fähigkeiten sowie Wissen und die ORKB profitiert vom organisatorischen Wachstum, das sich aus der Förderung einer Kultur des Lernens ergibt.(1) ORKB profitieren ebenfalls davon, dass ihre Schulungszentren kein Personal für längere Zeit von der Prüftätigkeit abziehen oder externes Personal für die Abhaltung der Kurse unter Vertrag nehmen müssen.
Die US-amerikanische ORKB (vom Englischen kurz „GAO“) bietet seit fast 20 Jahren ein Führungskräfte-als-Lehrbeauftragte-Programm, oder „Lehrbeauftragtenprogramm“, an. Im Rahmen dieses Programms geben über 200 zertifizierte Lehrbeauftragte Kurse zu Themen, die von internen Kontrollen über die Ausarbeitung der Botschaft in Berichten bis hin zu blitzschnellem Denken und Handeln in schwierigen Situationen und erfolgreicher Feedbackerteilung reichen. Die Ausbilder des GAO unterrichten auch Kurse zu den Themen Führung, angewandte Computerkenntnisse, Forschungsmethoden und andere übergreifende berufliche Themen. Anders als bei Ausbildungen für Ausbildnerinnen und Ausbildner, bei denen die Vermittlung bestimmter Inhalte weitergegeben wird, wenden sich Lehrende mit bereits bestehender Expertise in einem bestimmten Feld an das Lehrbeauftragtenprogramm und konzentrieren sich auf den Erwerb von Theorien der Erwachsenenbildung und Unterrichtsmethoden, die sie in zahlreichen Kursen anwenden können.
Alles beginnt mit der Kultur des Lernens im GAO. Um den Anforderungen der Normen für die staatliche Finanzkontrolle des GAO (des „Yellow Book“), dass alle 2.580 angestellten Analytikerinnen und Analytiker des GAO jedes Jahr Fortbildungspunkte sammeln müssen, gerecht zu werden, erarbeitet das Schulungszentrum des GAO Präsenz-, Online- und Hybridkurse, die zwischen einer und 16 Stunden in Anspruch nehmen, E-Learnings, Schulungsunterlagen, Merkblätter und vieles mehr. Im GAO-Geschäftsjahr 2023 bot das Schulungszentrum über 800 Kurseinheiten an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schulungszentrums sowie Vertragsmitarbeitende leiten einige Kurse, über die Hälfte der Kurse wird jedoch von zertifizierten Lehrenden im Rahmen des Lehrbeauftragtenprogramms abgehalten.
Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Lehrende zu gewinnen, führt der Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms(2) jedes Jahr ein „Open Season“-Verfahren durch, bei dem interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einschlägiger Expertise die Genehmigung ihrer Führungskraft einholen sowie eine Bewerbung einreichen, in der sie ihr Interesse an einer Lehrtätigkeit darlegen. Anschließend wählt das Schulungszentrum qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus, die in das Programm aufgenommen werden. Zur Vorbereitung auf die Lehrtätigkeit müssen die Teilnehmenden im Rahmen des Lehrbeauftragtenprogramms einen 10-stündigen Kurs zu Theorien und Methoden der Erwachsenenbildung absolvieren, der vom Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms an zwei Tagen gehalten wird. Dabei wird der Schwerpunkt auf vier Leistungsstandards gelegt: Schaffung der Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen, leichtverständliche Präsentation von Informationen, Förderung der Mitarbeit, sodass die Teilnehmenden aktiv in den Lernprozess eingebunden werden, und selbstbewusster Umgang mit Herausforderungen im Unterricht.(3) Die Teilnehmenden erproben ihre Lehrkompetenzen dann in einer Praxiseinheit, in der sie 15 Minuten ihres „angestrebten“ Kurses halten und sofortige Rückmeldungen von ihren Kolleginnen und Kollegen sowie vom Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms erhalten. Das Feedback erfolgt in Form von „glows“, die hervorheben, was die bzw. der Lehrbeauftragte gut gemacht hat, und „grows“, die Bereiche hervorheben, welche die bzw. der Lehrbeauftragte verbessern sollte. In der Woche nach der Praxiseinheit sehen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Aufnahme ihres Kurses an und schicken dem Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms ihre Überlegungen dazu.
In dem Jahr nach Abschluss der Ausbildung durchlaufen die neuen Lehrbeauftragten folgende Schritte:
- Hospitieren im Kurs einer erfahrenen Lehrkraft und schriftliches Festhalten der verwendeten Unterrichtstechniken,
- ein- oder zweimaliges Abhalten des Kurses,
- erneutes Abhalten des Kurses unter Beobachtung durch den Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms oder den bzw. die Zertifizierungsbeauftragte/n auf Grundlage der Leistungsstandards und
- Teilnahme an einer einstündigen Coaching- und Feedbacksitzung.
Nach dieser Sitzung werden die neuen Lehrbeauftragten entweder zertifiziert oder erneut beobachtet, wenn sie bestimmte Fertigkeiten verbessern müssen. Nach der Zertifizierung wird von den Lehrbeauftragten erwartet, dass sie mindestens zweimal pro Jahr unterrichten, um ihren Status aufrechtzuerhalten. Sobald die Lehrbeauftragten über 100 Stunden unterrichtet haben, können sie sich um die Zertifizierung als leitende Lehrbeauftragte bewerben.
Nach der Erstausbildung und -zertifizierung unterstützt der Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms die Lehrbeauftragten mit Weiterbildungsmöglichkeiten:
- Curriculum für fortgeschrittenen Unterricht. Lehrbeauftragte können Kurse besuchen, um ihr Wissen über die Theorien der Erwachsenenbildung zu vertiefen sowie ihre Unterrichtsmethoden zu verfeinern. Zu den Themen dieser einstündigen Einheiten zählen Moderationstechniken, Storytelling, erfolgreiche Nachbesprechung und der Einsatz von Evaluierungen zur Unterrichtsoptimierung.
- Eine Veranstaltungsreihe in den Mittagspausen zu Themen der Erwachsenenbildung. Dabei handelt es sich um eine Workshopreihe, bei der eine bzw. ein Lehrbeauftragte/r einen Teilbereich der Erwachsenenbildung recherchiert und zusammen mit dem Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms eine Einheit für acht teilnehmende Lehrbeauftragte zusammenstellt. In der Vergangenheit wurden Themen wie der Experteneffekt, Lernmythen, der Anfängergeist, Kognitionswissenschaft und Lernen sowie emotionale Intelligenz und Lernen behandelt.
- Eine Arbeitshilfe für Lehrbeauftragte. Das Lehrbeauftragtenprogramm hat 33 Arbeitshilfen für Lehrbeauftragte bzw. Merkblätter im Angebot, die auf Abruf im Intranet des GAO zur Verfügung stehen, um Lehrbeauftragten, die sich auf den Unterricht vorbereiten, Lerntheorien und Unterrichtsmethoden der Erwachsenenbildung in Erinnerung zu bringen.
- Ein Newsletter für Lehrbeauftragte. Der Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms schickt einmal im Monat einen Newsletter mit Unterrichtstipps, Schwerpunkten auf bestimmten Arbeitshilfen für Lehrbeauftragte und Links zu Artikeln zum Thema Unterrichten sowie Neuigkeiten zum Programm aus.
- Gelegenheiten für Feedback, Coaching und Kontrollbeobachtungen. Zertifizierte Lehrbeauftragte können sich jederzeit bei ihrer Lehrtätigkeit beobachten lassen. Darüber hinaus werden die Lehrbeauftragten alle drei Jahre über das automatisierte Lernmanagementsystem des Schulungszentrums darüber informiert, dass eine Kontrollbeobachtung fällig ist, bei der sie vom Leiter des Lehrbeauftragtenprogramms beobachtet werden und eine Feedback- sowie Coachingsitzung erhalten.
Sind Sie daran interessiert, ein Lehrbeauftragtenprogramm in Ihrer ORKB einzuführen? Würden Sie gerne eine detailliertere Programmbeschreibung sehen? Dann kontaktieren Sie Ruth Strande, leitende Angestellte im Schulungsbereich, Oberste Rechnungskontrollbehörde der USA, per E-Mail unter media@gao.gov.